Liebe Freunde guter Kartoffeln,
Mein erster kleiner Ferienjob war im Alter von 9 Jahren die Kartoffelernte bei Bauern in der Nähe. Damals mussten die Kartoffeln von uns Kindern hinter dem Rodegerät mit den Händen aufgesammelt und in Drahtkörbe geworfen werden. Die vollen Körbe wurden dann in große Jutesäcke umgeschüttet, die ausschließlich vom Bauern angehoben werden konnten, so schwer waren sie. Die Sonne brannte auf dem offenen Feld und es war furchtbar heiß und staubig, aber die Arbeit hatte bei aller Mühsal doch zugleich auch etwas sehr Ursprüngliches und Feierliches. Der feuchten und frisch gewendeten Erde, entströmte in der Spätsommersonne ein ungewohnter, aber doch angenehm-würziger und irgendwie "lebendiger" Duft.
Abends dann, war das Entzünden des trockenen Kartoffelkrautes auf dem Acker für die helfenden Kinder zugleich Höhepunkt und Abschluss eines arbeitsreichen Tages. In der Glut des Kartoffelkrautes wurden von den Kindern traditionell die frisch-geernteten Kartoffeln gebacken. Während die Bauersfamilie schon längst wieder zu Hause war, saßen wir Kinder dann noch bis weit nach Einbruch der Dunkelheit verqualmt und staubig am Feuerplatz. Die Hitze der Glut und der rauchige Duft der meist ziemlich angebrannten Kartoffeln verbanden sich mit dem Stolz über die geleistete Arbeit zu einem unvergesslichen Erleben.
Auch heute noch habe ich beim Eintreffen ganz frisch geernteter Kartoffeln gelegentlich wieder dieses Bild im Kopf. Immer ist es aber ganz eindeutig der Duft der frischen Erde, der es auslöst. Aber wirklich nur dann, wenn es sich wirklich um "frische" und "gute" Erde handelt.
Jeder neu eintreffenden Lieferung von Kartoffeln nähere ich mich instinktiv und zuallererst mit der Nase. Das war zwar schon immer so, ist mir aber erst später aufgefallen. Überhaupt stelle ich nach über 30 Jahren intensiver Erfahrungen mit Lebensmitteln fest, dass mir meine Nase zum wichtigsten Instrument für die Beurteilung von Lebensmittelqualität überhaupt geworden ist.
Es gilt heute ganz offensichtlich in aufgeschlossenen Kreisen nicht mehr als "unwissenschaftlich" oder "altmodisch", sich auf die eigene Nase zu verlassen.
Ich habe in den letzten Jahren den Eindruck gewonnen, als ob zumindest immer mehr Bio-Bauern und Winzer völlig selbstverständlich wieder an Ihrem Boden riechen. Zuverlässiger und schneller als viele stoffliche Analysen sagt nämlich dem geübten Fachmann der Duft, ob es dem Boden wirklich "gut geht". Ist einmal das Eis des Vorurteiles gegen scheinbar überholte und unwissenschaftliche Methoden gebrochen, so zeigt sich, dass z.B. auch bei der Ajurvedischen Gesundheitslehre sowie in der Traditionellen Chinesischen Medizin das komplexe Geruchsbild des Patienten seit Jahrhunderten dem wirklich Kundigen mehr sagt, als es die moderne, zerlegende Analytik oftmals vermag.
Die offensichtliche Tatsache, dass die Nase am Kopf ziemlich weit "vorne" angesiedelt ist, scheint mir zudem evolutorisch kein Zufall zu sein. In der Zeit der Sammler und Jäger waren die Fähigkeiten des Riechens überlebenswichtig. Immer der Nase nach - nach diesem Motto handeln auch heute noch sehr viele Menschen, ohne dass es ihnen bewußt wird. Denn der Geruchssinn schützt nicht nur vor verdorbenem Essen, Gas, Rauch und Feuer. Er hat nachgewiesenermaßen großen Einfluss auf die Partnerwahl und das soziale Umfeld und ist eng mit unseren Gefühlen und Erinnerungen verbunden.
Ich vermute jedoch, dass unsere Fähigkeit des Unterscheidens von Gerüchen mit seiner abnehmenden Bedeutung bei der Nahrungssuche sowie mit der zunehmenden Manipulation durch eine Vielzahl neuer und künstlicher Duft- und Aromastoffe abgenommen hat. Das könnte zudem erheblich dazu beigetragen haben, daß unser Geruchssinn im Hinblick auf Lebensmittelunverträglichkeiten und Allergien seine Aufgabe oft nur noch eingeschränkt erfüllt.
"Der Geruchssinn ist der unmittelbarste der menschlichen Sinne. Während visuelle, akustische oder haptische Signale erst in der Großhirnrinde des Gehirns verarbeitet werden müssen, wirken Düfte im Gehirn direkt auf das limbische System, wo Emotionen verarbeitet und Triebe gelenkt werden. Wenn man zum ersten Mal einen Raum betritt oder einen unbekannten Menschen trifft, ist es in der Regel der Geruchssinn, der den ersten Eindruck verschafft. Zudem ist die menschliche Erinnerung eng mit Düften und Gerüchen verknüpft. Ein Geruch kann einen urplötzlich in eine lange zurückliegende und längst vergessene Situation zurückversetzen, in der man ihn zum ersten Mal wahrnahm. Dieser "Proust-Effekt" ist nach dem französischen Autor Marcel Proust benannt. In seinem Hauptwerk "Auf der Suche nach der verlorenen Zeit" beschreibt er einen Mann, der ein Stück Gebäck in seinen Tee tunkt, worauf er eine Fülle an Erinnerungen an seine Kindheit hat, die tief in seinem Unterbewusstsein verschüttet waren.
Ein gesunder Mensch kann mehr als 10.000 verschiedene Duftnoten unterscheiden. Wer sich gezielt Düften aussetzt und versucht, diese zu kategorisieren, steigert seine Wahrnehmung und kann die Geruchsinformationen besser verarbeiten und benennen." (Zitat Quelle: Planet-Wissen.de) Eventuell ist es an der Zeit, die schlummernden Potentiale der Nase neu auszuloten und einzuüben. Möglicherweise erleben wir ja nach einer Zwischenphase ihrer abnehmenden Bedeutung sogar eine wichtige Renaissance unseres Geruchssinnes.
In der ungeschulten Variante scheint mir unser Geruchssinn primär als weitestgehend unbewußt arbeitendes "Ausschlußorgan" zu funktionieren. Ich selber habe meine Nase zuerst schätzen gelernt, weil sie mir meist ganz früh sagt, was ich nicht wirklich essen und trinken möchte. Lebensmittel, deren Duft ich als "zweifelhaft" empfinde, kommen mir deshalb heute normalerweise nicht mehr ins Haus und schon gar nicht in den Topf. Kein Wein wird mehr getrunken, ohne dass die Nase vorher gefragt wurde. Warum sollte ich so lange warten, bis der Kopf dann später vielleicht doch schmerzt oder der Magen dann doch im Nachhinein "Nein" sagt. Jedes Glas Marmelade das geöffnet wird, jedes Ei das geköpft wird, jedes Schnitzel, bevor es in die Pfanne kommt - in Alles wird jetzt erstmal "die Nase reingesteckt" und im Zweifel - "weg damit". Zugegeben, das fällt vielen Menschen zurecht schwer und nicht zuletzt wegen der Kinder pflege ich deswegen als Ausgleich umso mehr die Kunst der Resteverwertung. Damit ich jedoch möglichst gar nicht mehr in solche Situationen komme, sind für mich deshalb vertrauenswürdige Quellen immer wichtiger.
Wir von Tartuffli freuen uns immer, wenn es uns gelingt, wirklich erlesene Kartoffelqualitäten zu finden und so frisch zu Ihnen zu bringen, dass sie noch einen Großteil des ursprünglichen Erdenduftes verströmen. Das ist bei unseren regionalen Biokartoffeln insbesondere im Sommer der Fall, denn es wird täglich geerntet und immer ab Dienstags die möglichst frisch geerntete und ungewaschene Ware versendet.
Literaturempfehlungen:
Aromastoffe in Obst und Gemüse - Funktion und Wirkung (Detlef Ulrich in Gesundheit wächst im Garten – biologisch gärtnern )
Bild Mitte: Serjik Ahkhundov/Adobestock