Schwäbische Alb
Text: Silke Katinka Feltes.
Lange Jahre war die schwäbische Alb nicht gerade als Genussregion bekannt. Karg waren die Böden und zu mager der landwirtschaftliche Ertrag. Die Menschen waren arm und ernährten sich einfach und bodenständig. Aufwändigere kulinarische Genüsse waren in erster Linie den Wohhabenden vorbehalten. Während in Baden-Württemberg die badische Küche von Frankreich beeinflusst ist, die Hohenloher Küche vom Fränkischen und die schwäbische Küche auf Eierteigwaren (Spätzle, Maultaschen) basiert, war die schwäbische Alb jahrhundertelang für einfaches „Arme-Leute-Essen“ bekannt. Das sich das geändert hat, ist inzwischen unübersehbar. Auf der Basis eines wachsenden Wohlstandes bildeten sich insbesondere in den letzten 10 Jahren an vielen Orten fruchtbare Allianzen aus traditionsbewußten, handwerklichen Unternehmern und ökologisch engagierten Menschen. Heute ist Baden Württemberg eine Slow Food Hochburg in Deutschland und auf der schwäbischen Alb gibt es zahlreiche traditionelle oder innovative Delikatessen wie die Biosphärenwurst, den Albzarella, Albschnecken und Albdinkel, Schlehensaft und Cuvée aus der Champagnerbratbirne. Durch die Verknüpfung einer einzigartigen ökologischen Vielfalt mit der Rückbesinnung auf traditionelle Erzeugnisse hat sich die Schwäbische Alb in den letzten Jahren mehr und mehr zu einer bedeutenden Genussregion entwickelt.
Die eigentliche Alb ist ein wasserarmes, karstiges Mittelgebirge, auf 700 bis 1000 Höhenmetern gelegen, mit Wacholderheiden und Kalkmagerwiesen, auf denen lediglich anspruchslose Kräuter, Disteln und Schlehen wachsen. Im Nordwesten fällt die Alb steil ab, zum sogenannten Albtrauf. Hier dominieren Hangbuchen- und Schluchtwälder. Hier gibt es aber auch Deutschlands höchst gelegene Weinanbaugebiete. Das sanftere Albvorland ist geprägt von seinen vielen tausend Streuobstwiesen.
Südöstlich von Stuttgart liegt das Biosphärengebiet Schwäbische Alb, das erste Großschutzgebiet Baden-Württembergs. Es wurde 2008 von 29 Städten und Gemeinden gegründet, nachdem einer der größten Truppenübungsplätze der Bundeswehr in Münsingen im Jahr 2005 geschlossen wurde. Seit Mai 2009 gilt das Gebiet offiziell auch als UNESCO-Biospärenreservat. Die Vertreter des Biosphärengebietes benennen die Ziele so: „auf der Schwäbischen Alb entsteht eine Modellregion in der erfolgreicher Natur- und Umweltschutz mit der sozialen und wirtschaftlichen Entwicklung der im Gebiet lebenden Menschen verknüpft werden soll. Und zwar auf eine Weise, die den Ansprüchen der heute lebenden Menschen gerecht wird und gleichzeitig die Lebensgrundlage nachfolgender Generationen erhält. Auf der Alb entsteht also ein Beispielgebiet für nachhaltige Entwicklung. Es geht also um eine schützenswerte Kulturlandschaft und nachhaltige Regionalentwicklung. In enger Zusammenarbeit damit wird die Region finanziell und strategisch vom „Projekt des Landes zur Erhaltung von Natur und Umwelt“ (Plenum) unterstützt. Viele der traditionellen Lebensmittel und Produkte würden ohne dieses staatliche geförderte Marketing nicht den heutigen überregionalen Erfolg haben. Traditionelle Lebensmittel der Schwäbischen Alb
Auf etwa 34.000 Hektar im Voralbland wachsen über 2 Millionen Obstbäume, eine der größten zusammenhängenden Streuobstlandschaften Europas. Besonders aus den alten Sorten wie der Champagnerbratbirne, Champagner Renette, der Schweizer Wasserbirne und den Gewürzluiken werden hervorragende Cuvées und Säfte gekeltert sowie Schnäpse gebrannt. In der Gegend gibt es etwa 130 Mostereien und 1000 Brennereien.
Die Champagnerbratbirne wurde von Slow Food in die Arche des Geschmacks aufgenommen. Slow Food argumentiert folgendermaßen: Die Champagner-Bratbirnen Bäume findet man heute solitär nur noch entlang des Albtrauf in Württemberg in mittleren Höhenlagen zwischen 300–450 m und auf den Fildern. Die Birnbaumriesen sind oft über 100 Jahre alt, und landschaftsprägend für den Albtrauf. Bis zu 150 Baumbesitzer und Landwirte in klein-bäuerlicher oder Nebenerwerbsstruktur liefern die Champagner-Bratbirne an. Schaumwein von der Champagner-Bratbirne ist ein regionales Produkt aus Württemberg. Die Birnenfrucht hat eine klare und deutliche Nase, ist schön straff im Mund mit angenehmer Gerbstoffstruktur, gut eingebundener feiner Säure im Abgang. Der Schaumwein hat eine feine, lang anhaltende Perlage. Die feine Säurestruktur und innere Wertigkeit der Champagner-Bratbirne grenzt sich deutlich zu anderen Weinbirnen als auch zu Bratbirnen (Welsche-, Vaihinger-, Metzer und die meist anzutreffende Blaue Bratbirne) ab. Diese ist auch Garant für die hervorragende Eignung zu einer traditionellen Flaschengärung. Die „Bratbirne" präsentiert sich auffallend hell, der Duft betört mit Noten von reifer Birne, gelben Früchten und floralen Noten von weißen Blüten und Sommerwiese. Im Mund folgt die große Überraschung. Der mit 8,5 Vol. sehr leichte Schaumwein ist ungewöhnlich delikat, rund und mild.“
Bereits seit dem 15. Jahrhundert gibt es Wanderschäfer auf der Alb und noch im 18. Jahrhundert wurde reger Handel mit Schafswolle betrieben. Seitdem ist der Preis für Wolle rapide gefallen und die Schafszucht rentierte sich jahrhundertelang nicht mehr.
Heute wird die Schafshaltung mit staatlicher und EU-Unterstützung wieder ausgebaut. Die Industrialisierung der Landwirtschaft, die Zersiedlung und Aufforstung hat die jahrhundertealte Kulturlandschaft zu großen Teilen zerstört. Der Rest der alte Heidelandschaft drohte binnen kurzer Zeit zu verbuschen und viele Pflanzen- und Tierarten waren dadurch vom Aussterben bedroht. Da besann man sich wieder der Schafe, die nun – mit EU-Fördermitteln - zur Landschaftspflege eingesetzt werden.
Der Albbüffel, das klingt nach einem traditionellem Produkt. Fakt ist allerdings, dass er zwar vor tausenden von Jahren einmal auf der Alb heimisch war, seitdem aber dort nicht mehr gesehen wurde. Der heutige Albbüffel ist die Geschichte einer erfolgreichen Neuansiedlung des rumänischen Wasserbüffels. Im Jahr 2005 wurden Büffel aus Rumänien importiert und mit Erfolg auf der Alb weiter gezüchtet. Büffelmilch hat mit 7 bis 15 Prozent einen deutlich höheren Fettgehalt als Kuhmilch. Allerdings geben die Büffel auch weitaus weniger Milch, etwa fünf bis sieben Liter im Gegensatz zu den 15 bis 40 Liter Kuhmilch.
Neben verschiedenen Büffelmilchkäsen wird nach italienischem Vorbild auch ein Büffelmozarella, der Albzarella, hergestellt. In den regionalen Metzgereien wird das schmackhafte Büffelfleisch zu allerlei Wurstspezialitäten weiterverarbeitet.
Eine weitere traditionelle Delikatesse sind die Albschnecken, eine gewöhnliche Weinbergschneckenart, die nach langer Zeit wieder gezüchtet und genossen werden. Es gibt bereits nach traditionellem Vorbild mit vielen Wildkräutern angelegte Schneckengärten.
Die Schnecken, auch „schwäbische Auster“ genannt, gelten erst nach der Geschlechtsreife und der Eiablage nach ein bis drei Jahren als geniessbar. Im Herbst, wenn die Schnecken sich auf die Winterruhe vorbereiten, entleeren sie ihren Darm, entschleimen sich und verschließen ihr Haus mit einem Kalkdeckel („Deckelschnecke“). Jetzt sind sie reif für den Teller.
Schnecken gelten als sehr eiweiß- und mineralstoffeich, gleichzeitig als cholesterinfrei. Sie fielen nicht unter das Fastengebot der katholischen Kirche und waren daher früher sehr beliebt. Das kalkhaltige Gebirge der schwäbischen Alb mit seinem speziellen Klima und seinen besonderen Nahrungspflanzen charakterisiert die schwäbische Weinbergschnecke als von Slow Food ausgezeichnete Albschnecke.
Man isst die Albschnecke mit Kräuterbutter, als Schneckensüpple, Schneckensalat, oder Bandnudeln mit Schneckensoße, auch Schneckenwurst wird bereits hergestellt.
Ein relativ neuer Slow Food Achepassagier ist Leisa (schwäbisch für Linsen), die im August 2012 als besonders erhaltenswerte Kulturpflanzensorten eingestuft wurde. Linsen wurden auf der Schwäbischen Alb bis Mitte des 20. Jahrhunderts angebaut. Die letzten Bauern gaben in den 50er Jahren den Anbau dieser uralten, äußerst nahrhaften Pflanze auf, zu mühsam war die Ernte, zu unrentabel das Geschäft. Die ursprüngliche Alblinse galt lange als ausgestorben, es fand sich keinerlei Saatgut mehr. Seit 1985 werden nun auf Initiative einzelner Bauern und auf Grundlage der französischen Le Puy Linse wieder Linsen angebaut und als Alblinse vermarktet. Vor einigen Jahren wurde in einer Russischen Gendatenbank die ursprüngliche Alblinse wieder entdeckt. Seit 2008 gibt es einen Slow Food Förderkreis (Presidio) der das Rekultivierungsprojekt vorantreibt.
Ein schwarzer Brei aus gerösteten Getreidekörnern, der jahrhundertelang die Hauptnahrung der armen Leute war. Traditionell wurde das Musmehl aus den ganzen Körnern des Dinkels gemahlen, gelegentlich waren auch Weizen und Hafer mit dabei.
Die Körner wurden auf einen Backblech im Ofen oder in einer Eisenpfanne über offenem Feuer gebräunt, dann gemahlen und mit Wasser, Salz und Milch als „schwarzer Brei“ zubereitet. Das nahrhafte Vollkorn-Musmehl ist heute ein Slow Food Ache Passagier.
Einige traditionelle schwäbische Gerichte, die auch auf der Alb beheimatet sind:
- Bubaspitzle oder Schupfnudeln
,
- Käsespätzle
- Flädlesupp
- Knöpfle
- Linsen mit Spätzle
- Maultaschen
- Ochsenmaulsalat